Aylin Yilmaz

Drachentöter

ein Lesedrama in fünf Akten

Klappentext

In „Drachentöter“ wird ein kleines Dorf von einem unbarmherzigen Drachen beherrscht, der nicht nur Angst und Schrecken verbreitet, sondern auch die Menschen dazu zwingt, seine Macht stillschweigend zu akzeptieren. Als ein vermeintlicher Held auftaucht, der sich der Bestie stellen will, entfaltet sich eine Geschichte voller überraschender Wendungen. Doch der Kampf ist nicht nur ein Duell zwischen Gut und Böse – vielmehr hinterfragt das Stück die Grenzen von Mut, Verantwortung und gesellschaftlicher Anpassung. Mit Witz, Spannung und berührenden Momenten hält „Drachentöter“ dem Publikum einen Spiegel vor und zeigt: Die wahre Kraft liegt darin, Veränderung zu wagen. Ein modernes, tiefgründiges Theatererlebnis, das lange nachklingt.

Rezensionen


Hermann Hagen (Literaturkritiker)

„Das Stück „Drachentöter“ entfaltet sich wie ein modernes Märchen, das die klassische Erzählung vom Kampf gegen das Böse mit tiefgreifenden, zeitgenössischen Themen verbindet. Mit sprachlicher Brillanz und scharfsinniger Inszenierung wird der Zuschauer in eine Welt entführt, die zugleich faszinierend und verstörend wirkt. Die Konfrontation mit dem Drachen wird hier zum Sinnbild für den Mut, sich den Ungerechtigkeiten der Welt zu stellen. Eine kluge, fesselnde Parabel über Macht, Moral und Menschlichkeit, die lange nachhallt.“


Irene Werner (Theater-Regisseurin)

"'Drachentöter' ist ein packendes Meisterwerk, das mit scharfsinnigem Humor und tiefgründiger Symbolik überzeugt. Ein Theaterstück, das gleichermaßen unterhält und zum Nachdenken inspiriert – schlichtweg grandios!“


Arina Wilnovska

„In dem Theaterstück 'Drachentöter' trifft ein mutiger Held auf einen mächtigen Drachen, dessen Tyrannei ein ganzes Land in Angst versetzt. Doch der Kampf ist mehr als nur ein Duell zwischen Gut und Böse – er offenbart tiefere Wahrheiten über Macht, Verantwortung und den Mut zur Veränderung. Mit Witz, Spannung und kluger Gesellschaftskritik lädt das Stück dazu ein, die Grenzen zwischen Held und Schurke neu zu hinterfragen. Eine moderne Parabel für alle, die an die Kraft des Einzelnen glauben.“



 

Leseprobe

Drachentöter

Ein Lesedrama in fünf Akten

Auf einer idyllischen Insel, die von einem mächtigen Drachen bedroht wird, kämpfen die Bewohner um ihr Überleben. Während der alte Herrscher Dunkelfaust den Drachen als Quelle seines Reichtums nutzt, leiden die Menschen unter der Zerstörung ihrer Heimat. Aria, die nach langer Zeit zurückkehrt, steht vor der Herausforderung, die Insel zu retten, ohne die Interessen der einfachen Leute zu übersehen. Die Geschwister Sigurd und Gudrun verfolgen unterschiedliche Ansätze: Sigurd will den Drachen töten, während Gudrun die Insel verlassen möchte.

Dieses packende Lesedrama thematisiert Umweltzerstörung, soziale Ungleichheit und die Suche nach einer besseren Zukunft. Es zeigt die Konflikte zwischen den Generationen und die unterschiedlichen Ansätze, mit den Herausforderungen der modernen Welt umzugehen. Ein Stück, das zum Nachdenken anregt und die Zuschauer auffordert, aktiv zu werden und die Welt zu verändern.


“Drachentöter” ist eine eindringliche Allegorie auf aktuelle gesellschaftliche Probleme und ein Aufruf zur Verantwortung und zum Handeln.

Diese Ausgabe liefert umfangreiche Unterrichtsmaterialien.

Leseprobe



Erster Akt erste Szene


Aria und Gudrun laufen durch einen prunkvollen Palast. Aria mit einem schweren Koffer.

Aria: Ich bin so froh, wieder hier zu sein! Habe fast vergessen, wie schön es hier ist! Doch jetzt kommt alles zu mir zurück! Die Insel, die Heimat, die Menschen, die Freunde! Wie sehr habe ich das alles vermisst.

Gudrun: Ich freu mich auch unendlich! Und deine Kleider! So exotisch! Wie wunderschön. Du musst mir alles erzählen!

Aria: Werde ich! Ich habe dir auch was mitgebracht. Euch allen!

Gudrun: Du bist so großzügig! Wie habe ich dich beneidet! Hier ist einfach alles wie immer. Nein, eigentlich ist alles nur schlechter geworden.

Aria: Oh nein! Das musst du erklären! Es ist der Drache, oder?

Gudrun: Ja… [Pause] aber später! Erst zu was Schönem. Erst zu dir! Wie es so ist in der Welt? Ich kenne ja nur das hier. Ich kann mir nur vorstellen, wie es anderswo sein mag! Du musst mir diese andere Welt zeigen! Wenn auch nur in Worten.

Aria: Es ist so toll, neu, spannend, exotisch! Du kannst es dir nicht vorstellen! Was ich an der Akademie alles gelernt habe! Ich habe so viele Ideen! So vieles, das wir tun können! Ich kann es nicht erwarten, bis wir loslegen.

Gudrun: Das glaube ich! Ich würde auch so gerne in die Ferne.

Aria: Wirst du auch noch!

Gudrun: Ich wünschte… aber wir können uns das nicht leisten. Niemand hier hat so viel Geld, außer deinem Großpapa natürlich.

Aria: Ja… [kurze, unangenehme Pause] Zusammen werden wir daran arbeiten, dass sich das ändert. Es wird sich was verändern, das verspreche ich dir!

Rhythmisches Trommeln setzt ein, erst leise, aber im Verlauf der Szene wird es immer lauter.

Gudrun: Es muss sich was ändern! Er wird immer größer und immer gieriger.

Aria: Als ich fortgegangen bin, war er noch ganz klein. Ich weiß noch, wie wir seine kleinen Schuppen für viel Geld verkauft haben! Einmal hat jemand einen Zahn gefunden! Ein Vermögen hat das eingebracht! Erinnerst du dich noch an die Feier, die mein Großpapa für alle geschmissen hat, als wir den kostbaren Zahn verkauft haben? Niemand auf der ganzen Welt bändigt einen Drachen!

Gudrun: Er ist jetzt riesig. Nach Schuppen und Zähnen suchen wir immer noch, und wir finden eine Menge. Viel größere! Dein Großvater ist unermesslich reich geworden! Aber das hat eben auch seinen Preis. Deswegen weiß ich nicht, ob es hier noch so schön ist. Dein Paradies mag die Heimat sein, die du so lange nicht gesehen hast. Meines ist die Ferne, die ich noch nie gesehen hab, und ich fürchte, sie rückt ferner mit jedem Tag, da er wütet.

Aria: So schlimm? Du willst weg? Tu mir das nicht an! Ich brauche dich!

Gudrun: [ungläubig] Mich? Glaub ich nicht!

Aria: Natürlich dich! Was du mir jetzt schon alles erzählt hast, ist so wertvoll! Wir müssen gemeinsam einen Weg finden! Mein Großvater hat es allein angestoßen, aber er ist jetzt alt und wir müssen die Zukunft zusammen gestalten! Es ist unsere Insel! Sie gehört uns allen!

Gudrun: Eigentlich gehört alles deinem Großvater. Und du brauchst meine Schilderungen nicht. Du siehst es ja überall, fast jeden Tag wird es schlimmer, und überhaupt habe ich auch keine Antworten!

Das Trommeln wird kurzfristig lauter.

Aria: Dann müssen wir das ändern!

Gudrun: Du! All das wird ja bald dir gehören! Der Palast, das Land, die ganze Insel!

Aria: [lacht] Übertreib nicht! Gehören wird sie mir nicht! Aber ich verstehe, was du meinst! Dafür hat Großpapa mich ja in die Ferne geschickt. Um zu lernen. Für die Insel. Für uns alle.

Gudrun: Du wirst es ja bald alles erben!

Aria: Hoffentlich nicht erben! Großpapa möchte einfach kürzertreten und seinen Lebensabend genießen! Hat er sich ja auch verdient! Er hat uns reich gemacht!

Gudrun: Eigentlich ist nur er reich geworden. Wir anderen jetzt nicht so.

Aria: Überleg mal, wie es früher war. Da waren wir ein Haufen primitiver Horden auf einem verlassenen Eiland[1]. Und jetzt? Sieh es dir an!

Das Trommeln wird lauter, der Lärm übertönt fast das Gespräch. Die beiden schauen besorgt.

Gudrun: [lauter] Ja, wir sind jetzt zivilisiert. Aber wenn du wüsstest, wie wir Normalen leben…

Aria: Wir Normalen? Ich bin doch eine von euch! Wir sind praktisch Schwestern!

Gudrun: Ich sag ja nur. So toll wie dir geht es nicht allen.

Aria: Dann müssen wir das ändern! Durchdacht und achtsam im Sinne der Interessen aller werden wir es schaffen!

Gudrun: Weiß nicht, ob noch Zeit ist für durchdacht und achtsam und so! Du hörst es ja!

Das Trommeln wird nun extrem laut.

Aria und Gudrun schauen aus einem Fenster, als würden sie etwas am Himmel verfolgen. Sie brüllen nun, um sich zu verständigen.

Aria: Meine Güte! Er ist wirklich riesig!

Gudrun: Und wird immer riesiger! Wir können nicht hierbleiben!  Zu gefährlich! Geh in die Kasematten[2]! Dort bist du sicher!

Aria: Ja, lass uns gehen!

Gudrun: [beiseite[3]] Wenn er wütet und sich wälzt, wirft er bald kostbarste Schätze ab. Die kann ich mir nicht entgehen lassen! Bald wird das ganze Dorf danach jagen. Der frühe Vogel schnappt die Schuppen! Wer reich ist, kann arm an Risiken sein, aber für den Armen ist das Risiko eine Schatzkarte. Aria ist für mich wie eine Schwester, aber sie hat so viel Reichtum, wie ich Armut habe. Ich muss alles riskieren, um nur einen Bruchteil zu stehlen von dem, was ihr sanft in die Wiege gelegt wurde. Mein Bruder wartet sicher schon! [zu Aria] Tut mir leid! Ich muss weg, mich um was kümmern!

Aria: Bist du wahnsinnig, du kannst doch jetzt nicht raus? Was kann denn wichtiger sein als deine Sicherheit?

Gudrun: Du würdest es nicht verstehen! Ich erklär es dir später!

Gudrun ab.

Aria: [ruft ihr nach] Warte! Das ist doch viel zu gefährlich! [zu sich] Sie hat sich nicht geändert! Immer noch ein Springinsfeld[4]! Hoffentlich passiert ihr nichts! Was ist das für ein Monster!

Aria ab.

Vorhang.



[1] Eiland: (veraltet) Insel

[2] Kasematten: unterirdische Gewölbe in einer Burg zum Schutz vor Angriffen.

[3] Beiseite sprechen: wenn in einem Theaterstück eine Figur mit sich selbst spricht, was das Publikum, aber niemand auf der Bühne hört.

[4] Springinsfeld: (veraltet) ein unbekümmerter, leichtsinnigen junger Mensch